Venus siegt

Dietmar Dath

Nur noch abgedroschen fand ich am Ende, kurz vor dem Beginn meines Exils, seine fast täglich wiederholte Mahnung: „Die Wahrheit, Junge, ist in den alten Büchern und in der neuen Forschung.“

Einmal verriet ich ihm, was ich davon hielt: „Was will ich mit deiner Wahrheit? Mich interessiert die Wirklichkeit, alter Mann.“

Er wusste eine Antwort, weil er immer eine wusste: „Die Wirklichkeit ist, was wir mit der Wahrheit machen. Mehr braucht niemand.“

Venus siegt

Auf dem Planeten Venus findet in einigen hundert Jahren ein gewaltiges soziales Experiment statt. Man will herausfinden: Gibt es eine Form der Zusammenarbeit, in der Menschen, Roboter und räumlich ungebundene künstliche Netzintelligenzen gleichberechtigt leben können? Eine Revolution hat diese Nachbarwelt der Erde von der kolonialen, wirtschaftlichen und politischen irdischen Herrschaft befreit. Gegen äußere und innere Feindschaft muss sich das neue Regime, das verspricht, alle Formen des Denkens und Arbeitens von Ausbeutung und Abhängigkeit zu befreien, mit harten Maßnahmen behaupten. Die Politikerin und Programmiererin Leona Christensen errichtet eine Diktatur. „Venus siegt“ erzählt ihre Geschichte aus der Perspektive eines Elitenkindes der neuen Ordnung: Nikolas Helander ist der Sohn des Kulturlenkers und ersten Gehilfen der Diktatorin. Sein Leben, seine Liebe und sein politischer Weg zwischen Loyalität, Opposition und Krieg sind die drei Stränge einer großen Erzählung von Befreiung und Terror, Zwang und Emanzipation unter den Bedingungen höchstentwickelter Technik.

Pressestimmen

"Daths spekulative Fiktionen heben sich deutlich von den Klischees ab, die über das Genre im Umlauf sind. Sie erschöpfen sich weder in Aufzeichnungen technischer Details noch zeichnen sie simple Gut-Böse-Schemata. Gibt es in seinen Welten historische Einschnitte, sind sie selten eine simple Wende zum Guten oder Apokalyptischen, sondern führen zu neuen Konstellationen mit positiven und negativen Seiten, selbst wenn sie so epochal sind wie die „totalen“ Kriege, mit denen Texte wie Für immer in HonigDie Abschaffung der Arten oder eben auch Venus siegt aufwarten können. Das ist eine unbedingte Stärke, ebenso wie Daths Mut, nicht einfach irdische Verhältnisse leicht variiert ins All zu versetzen, sondern grundsätzlich neue Konstellationen zwischen Geschlechtern, Spezies oder die – verschiebbare? – Grenze zwischen organischer und künstlicher Intelligenz im Medium der Fiktion auszuloten. (...) Dath bringt die deutschsprachige Science-Fiction voran, und es ist kein Wunder, dass er den Laßwitz-Preis bereits zweimal erhalten hat." Stefan Höppner, literaturkritik.de

"Science Fiction mit Dath ist immer eine Reise wert. Hier führt der eloquente Vielschreiber seine Fangemeinde auf die Venus. Daths Talent zum Ersinnen besserer Sonnensysteme wird einmal mehr unter Beweis gestellt mit dieser auf komplizierte Art schönen Handlung, die an das Geäder eines lichtdurchschienenen Blattes erinnert." Connie Haag, ekz

"Dietmar Daths komplexe Zukunftswelten sind wissenschaftlich, technologisch, politisch, kulturell, ökonomisch und sozial detailliert ausgemalt. Soweit sie sich überhaupt auf einfache Interpretationen herunterbrechen lassen, kann »Pulsarnacht« als kapitalistische Ordnung in der Havarie einer Krise gelesen werden, »Feldeváye« erzählt von einer hochtechnisierten, postpolitischen Zivilisation, die durch die Kunst wieder lernt, gesellschaftliche Konflikte auszutragen. Und »Venus siegt« lässt sich als Allegorie auf realsozialistische Herrschaft und das Hereinbrechen der faschistischen Konterrevolution lesen. (...) Wie Dietmar Dath auf gerade einmal knapp dreihundert Seiten eine an faszinierenden technologischen Unglaublichkeiten reiche Welt erschafft und ein ausuferndes Personal über eine Erzählzeit von Jahren hinweg miteinander interagieren lässt, ist verblüffend - wobei das vorangestellte Personenregister durchaus hilfreich ist. Von einer obsessiven Liebesgeschichte über eine gestörte Vater-Sohn-Beziehung, politische Ränkespiele, grausige Foltertechniken bis hin zu phantastischen riesigen Metropolen und sich vervielfachenden und ausbreitenden künstlichen Intelligenzen fächert dieser Roman ein beeindruckendes erzählerisches Universum auf. Spielten schon in »Feldeváye« und »Pulsarnacht« die cyborgartigen Erweiterungen der Menschen, die mal eben per eingepflanztem Interface Daten abrufen, eine wichtige Rolle, so werden die völlige Durchdringung menschlicher Körper durch Technologien und die Entstehung künstlicher, nicht ortsgebundener Intelligenzen nun zu handlungstragenden Elementen, um die politische Debatten geführt werden. Diese künstlichen Intelligenzen können sich in Körpern materialisieren oder als weit verzweigte Datennetze existieren." Florian Schmid, neues deutschland